Schlachthof, Dießemer Straße 9, Krefeld 47799, Mittwoch, 23. Oktober , 19:30 bis 21:30
Gijs Wilbrink · Eva Müller · Doppellesung und Gespräch
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Ein niederländischer Romanautor und eine deutsche Graphic-Novel-Autorin – zwei Hauptfiguren, die wie Schwestern sind: Sisters of Art. Dazu Punk, Tierschutzaktivismus und Selbstbefreiung – all das bietet unsere dritte WESTWERK-Lesung in diesem Jahr!
Gijs Wilbrink: Tiere
Ein Drama van Shakespear‘scher Gewalt, eine einfühlsame Erzählung über eine zwischen Kleinkriminalität und sozialer Ausgrenzung zerriebene Familie in einem Dorf im „Achterhoek“ hinter Nimwegen, über Freundschaft und Selbstliebe und über die (Post-)Punkszene der 90er Jahre – das alles bietet der so hammerharte wie warmherzige Roman „Tiere“ (Ullstein Verlag) des niederländischen Autors Gijs Wilbrink. Kongenial übersetzt von der Mönchengladbacherin Ruth Löbner, aus deren Werkstatt schon einige niederländische Romane stammten, die wir mit Begeisterung in unserem Programm präsentierten. Und darum gehts:
Am Rand eines abgelegenen Dorfes im Achterhoek liegt der Bauernhof der Familie Keller, vom Dorf gleichermaßen gefürchtet wie verachtet. Landwirtschaft wird hier schon lange nicht mehr betrieben, Tiere gibt es trotzdem: die illegale Nerzzucht des Großonkels. Auch als Isa längst den Hof verlassen hat und zum Studieren in die Stadt gegangen ist, verfolgt sie das Fiepen der Tiere noch bis in den Schlaf. Dann holt sie ein Anruf zurück ins Dorf: Ihr Vater ist verschwunden. Die Suche nach ihm wird zu einer Suche nach ihrer eigenen Identität. Und nach der Wahrheit über ihre Familie.
Eva Müller: Scheiblettenkind
»Scheiblettenkind«, »Schmuddelkuh«, »Assitussi« – das sind nur einige der Schimpfwörter, die sich die jugendliche Protagonistin in Eva Müllers autofiktionaler Graphic Novel „Scheiblettenkind“ (Suhrkamp Verlag) ständig von Gleichaltrigen anhören musste. Schimpfwörter, mit denen sie, die nicht aus privilegierten Verhältnissen stammt, ausgegrenzt wurde und die sie auf ihren Platz verweisen sollten.
Eva Müller erzählt in klaren, kraftvollen, eindrücklichen Bildern über die bäuerliche Herkunft der Großeltern, vom westlichen Arbeitermilieu der Eltern, über das Aufwachsen in Unbildung und Armut, über soziale Scham, den Gestank von Frittierfett, über ihre Billigklamotten mit albernen Aufnähern, ihre Entfremdung von ihren Ursprüngen und schließlich ihre Emanzipation als Künstlerin ‒ und mit dabei ist immer die Schlange Selbstzweifel, die unabhängig von ihrem Erfolg bis heute nicht von ihrer Seite weichen will.
So erscheint sie uns wie eine ältere Schwester von Gijs Wilbrinks Hauptfigur, der 18jährigen Isa, die sich aus ihrer Familie in ein Kunststudium rettet – und doch zurückkehrt, um sich zu finden.
Im Gespräch mit den beiden geht es unter anderem um die mal befreienden, mal einengenden und immer politischen Züge der (Post-)Punkszene, um die Frage, wie die Kunst – ob schreibend oder zeichnend – Menschen Respekt erweist, die von der Gesellschaft abgewiesen werden, und welche künstlerischen Energien von Zorn und Liebe freigesetzt werden.
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